Immer wieder werde ich von lieben Menschen darauf angesprochen, ich möge doch etwas mehr Wert auf meine Rechtschreibung legen. In jedem zweiten Satz ein Fehler, das sei doch nun wirklich viel zu viel. Und ich sage liebe Menschen, weil das wirklich die lieben Menschen sind, weil sie mich nicht still verurteilen, sondern mir helfen wollen, mir mit guten Tips zur Seite stehen und mich vor der Lächerlichkeit bewahren wollen. Andere schweigen und bilden Ihr sich ihr Urteil im Geheimen.
Aber einer Rechtschreibschwäche oder wie das Fachwort lautet "Legasthenie" ist nicht mit guten Tips oder einem guten Duden beizukommen, sie ist genauso wie Pickel im Gesicht oder Inkontinenz, eine Krankheit, die man sich nicht selbst aussuchen kann. Ich leide nur unter einer sehr sehr schwachen Form der Legasthenie, aber es reicht völlig aus, um sich regelmäßig lächerlich zu machen.
Natürlich lese ich jeden Text, je nach seiner Wichtigkeit, ein bis fünf mal durch und schlage alle zweifelhaften Wörter nach. Natürlich habe ich unzählige Stunden Rechtschreibung geübt und verwende, wann immer möglich, ein Rechtschreibprogramme. Aber wenn ich schreibe oder tippe, dann schleichen sich einfach mit großer Regelmäßigkeit Fehler ein, die ich auch beim Wiederlesen nicht entdecken kann. Ich schreibe ein Wort in einem Text fünf mal richtig und beim sechsten bis achten mal plötzlich falsch, ohne das ich das beim Lesen merken würde. Am schlimmsten sind die verlorengegangenen Worte, die ich - selbst beim lauten Wiederlesen - ausspreche, obwohl sie nicht dastehen.
Als ich mit diesem Problem in der 5.Klasse zum Schulpsychologen ging, hatte er nichts Besseres zu tun als mir mathematische und sprachliche Minderbegabung zu attestieren und zu empfehlen mich vom Gymnasium zu entfernen. Inzwischen habe ich das Latinum, die akademische Sprachprüfung im Griechischen, und das Hebraicum mit teils sehr gutem Erfolg abgelegt. Mein (gesprochenes) Englisch wird mit großer Regelmäßigkeit - auch von Muttersprachlern - unaufgefordert gelobt. Aber ich bin immer noch Legastheniker und muß immer noch jedes mal wirklich überlegen wie man Mathematik, Statistik oder Professor schreibt.
Der Witz: "Früher wußte ich nicht wie man Ingenieur schreibt, und heute bin ich selber einen." ist für mich kein Witz, sondern bitterer Ernst.
Aber die Reaktion des Schulpsychologen zeigt klar das Problem: Wegen dieser für den Normalmenschen absolut unverständlichen Schwäche, wird man einfach für dumm oder faul gehalten. Aber eine leidliche Orthographie zu erreichen, ist für mich genauso zeitaufwendig, wie den ganzen Text zu stempeln. Und diese Zeit habe ich einfach nicht, wenn ich mich auch noch mit Dingen beschäftigen möchte, die ich kann.
Selbstverständlich bin ich jedem dankbar, der mich auf konkrete Fehler auf meinen Seiten oder in meinen Veröffentlichungen hinweist, aber mit meiner Schwäche muß ich leben und ich hoffe Sie können das auch. Jedem, dem es so geht wie mir, möchte ich raten sich immer klar zu machen, daß wir deshalb nicht weniger Wert sind und auch nicht weniger Chancen haben, weil wir einfach früher lernen mit Unverständnis umzugehen.
Weitere Informationen zum Thema Legasthenie finden Sie auf den Seiten des Bundesverbands Legasthenie und Dyskalkulie.